Mittwoch, Februar 21, 2007

Schlüsselerlebnis

Es war einmal* eine Studentin, die wollte ein Examen über Wahrscheinlichkeitstheorie ablegen. Ausgeschlafen, entspannt und sogar optimistisch traf man sie 40 min vor Prüfungsbeginn in der Lausanner Métro an. Die Sonne schien, der Himmel war wolkenlos. Es war ein guter Tag.
Ein Stop nach dem andern zog an ihr vorbei – Flon, Vigie, Montelly, Provence. Dort sonnte sich die Métro gleich selbst ein bisschen, und geduldig warteten alle Passagiere, dass auch die Anschlussgeleise frei würden.
Nach rund zehn Minuten wunderte sich die Studentin langsam, weshalb immer mehr Leute den Wagen verliessen; schliesslich ist Provence nicht gerade der belebteste Teil der Stadt. Leute begannen zu flüstern, grinsen, fluchen (je nachdem). Ein Jugendlicher erzählte etwas von Türe, Schlüssel und Chauffeur, und das verwirrte die junge Dame nur noch mehr.
Sie stieg aus und näherte sich erstaunt der Gruppe Schaulustiger, die sich um die Fahrerkabine versammelt hatten. Tatsächlich sah sie den Chauffeur selbst dort stehen, in seiner Hand ein Stück Stahldraht, das Ende ausgeleiert. Durch das kleine Klappfenster versuchte er, irgendetwas aus dem Führerhäuschen zu fischen. Und als die zukünftige Mathematikerin hörte, wie der Beamte nach einem Magneten verlangte (den ihm leider niemand reichen konnte), verstand sie endlich den Lauf der Geschichte. Der gute Mann hatte aus irgendwelchem Grund seine Kabine verlassen, und die Türe hatte sich hinter ihm unbeabsichtigt geschlossen. Dank einer automatischen Verriegelung war das Zentrum der Macht in unerreichbare Ferne gerückt.
Trotz der langsam steigenden Nervosität konnte sich die Thurgauerin ein breites Grinsen nicht verkneifen. Ihre journalistische Ader zwang sie beinahe, den unbeschreiblichen Moment in einem Natelphoto festzuhalten, doch schliesslich siegte das Mitleid mit dem unglücklichen Angestellten.
Natürlich blieben sämtliche Angelversuche erfolglos, umso mehr als der Schlüssel aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Kontrollschloss steckte. Das Problem wurde schliesslich dahingehend gelöst, dass zwei Jungs mit Kickboards nach Malley geschickt wurden, in ein Büro XY, um dort einen Ersatzschlüssel zu verlangen. Fünf Minuten später kamen sie rennend zurück – und das Métronetz erholte sich von seinem Stillstand. (Provence ist ein einspuriger Stop, weshalb nicht einmal mehr die Gegenrichtung verkehren konnte.)
Rechtzeitig kam sie noch, die amüsierte EPFLerin, doch fielen die ersten 15 Prüfungsminuten einer plötzlichen Verwirrtheitsattacke zum Opfer. Aber t'inquiète, danach gings dann auch wieder bergauf und wenn sie die Resultate noch nicht erhalten hat, dann wartet sie auch noch heute.

*Experten datieren das Ereignis auf gestern Dienstag, den 20.Februar 2007, 13.35h.

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hu, in der Haut des Bahnführers möchte ich nicht gesteckt haben, wenn der seinem Vorgesetzten erklären muss, was da von sich ging. Es sei denn, es gab einen echten Grund, was aber eher unwahrscheinlich ist, oder? Das hättest du ihn eigentlich fragen sollen.... ;-)

Anonym hat gesagt…

Na, dann hoffe ich doch nur, dass es keine 30-minütige mündliche Prüfung war, sondern eine etwas längere schriftliche, wo 15 Minuten Blackout etwas weniger desaströs enden :)

Michèle hat gesagt…

Nein, eine zweistündige, wenn auch gut ausgefüllte, schriftliche. :)

Matt hat gesagt…

Hey Miit... Just a quick question: How did you get that pretty little view counter on your blog? I tried to put one on earlier, but it didn't fare so well. Naana...

yesca hat gesagt…

bon, t'en fais pas, finalement quand on arrive en retard on est plus pressé de finir l'examen (et en effet, on le finit plus vite lol :P).