Montag, Februar 28, 2005

Wochenendtrip nach Kenia

Ja, warum sollten wir nicht unserem Nachbarland Kenia einen Besuch abstatten, wenn wir schon hier in Uganda sind...? Das haben sich unsere Leiter auch gedacht und so wurden wir am Mittwoch vor einer Woche mit der Tatsache bekannt gemacht, dass wir am darauffolgenden Freitag für vier Tage nach Kenia verreisen werden. Wir haben ein bisschen gestaunt, aber eigentlich sind wir uns an die afrikanische Spontaneität langsam gewöhnt.
Eigentlich war unser Team ja von Anfang an als "Uganda/Kenia"-Team geplant gewesen, aber wegen Unruhen in Kenia wurden unsere ursprünglichen Pläne (in Nairobi oder irgendwo in der Nähe dort) verunmöglicht und niemand wusste genau, ob Kenia überhaupt zustande kommen würde. Wir beteten dafür und fragten Gott, was er darüber denkt. Mehr und mehr bekamen wir das Gefühl, dass er trotz allen geplatzten Plänen möchte, dass wir die Grenze passieren, und sei es nur, um in Kenia für Kenia zu beten (die Unruhen sind vor allem um Nairobi, wir gingen nach Kisumu, wo es ziemlich sicher ist).
So setzten wir uns also in einen ugandischen (nein, ich kenne das Adjektiv zu "Uganda" auch nicht...) Bus und freuten uns 6h lang an der holprigen Fahrt (dieses Intensivtraining ist das Beste, was uns nach dem Unfall passieren konnte; ich bin schon wieder ziemlich "back to normal"), begeisterten uns am neuen Stempel im Pass und atmeten Tonnen of Staub. Einmal angekommen, machten wir uns auf die Suche nach einer Unterkunft, fanden dann auch ein tolles Guesthouse etwas ausserhalb der Stadt, fünf Minuten zu Fuss vom Viktoriasee, mit einigen Fledermäusen, aber sonst wirklich wunderschön (Sitz-WC's!!!).
Wir beteten am See, hatten eine unglaublich tolle Worship-Zeit und machten uns später auf in die Stadt, wo wir in kleineren Gruppen so genannte "Prayer-Walks" veranstalteten. Im Grunde genommen sind das gemütliche Spaziergänge, wo man statt sich nur untereinander zu unterhalten mit Gott redet. Ich war mit Elin und Rick unterwegs, es war wirklich toll. Wir hatten eine Menge Spass.
Nach einer Weile wollten wir lieber mit den Leuten auf der Strasse reden, und wir sagten Gott, dass wir jeden, der uns anspricht, fragen werden, ob wir für ihn beten koennen. Das taten wir dann auch, zuerst mit Taxifahrern, und bald waren wir von einer Gruppe Strassenkindern umzingelt. Wir redeten mit ihnen, so gut es ging und beteten für sie. Das ist eine Erfahrung, die man nicht mehr vergisst - mit einem Strassenkind zu reden, die Heimatlosigkeit in ihren Augen zu sehen, die Hoffnungslosigkeit zu spüren, die sie umgibt und (wie als Bestätigung) die Flasche Leim in ihren Händen zu beobachten, und wie sie immer wieder daran schnüffeln und sich selber zerstören. Manchmal möchte man am liebsten schreien - es ist hart, keine Antwort zu haben, nicht einmal eine Idee einer Lösung. Und es schmerzt, diese Kinder zurücklassen zu müssen. Alles, was wir ändern konnten, ist sie für einen kurzen Augenblick Liebe spüren zu lassen, sie zu umarmen und mit ihnen zu lachen, für sie zu beten und uns nicht von ihnen wegzudrehen, nur weil sie dreckig sind. Aber am Ende müssen wir uns alle eingestehen, dass wir machtlos sind.

Nach Kenia hatten wir unseren letzten Einsatz, auf den Ssese-Inseln im Viktoriasee. Wenn man schon nicht baden kann in diesem Wasser, so waren wir doch zumindest auf einer Fähre ( - ich vermisse den Bodensee!!!). Jetzt sind wir wieder in Kampala, die nächsten Tage sind nicht wirklich so geplant, wir werden sehen was geschieht. Nächsten Dienstag wir uns ein "grosser, böser Vogel" (so die Beschreibung von Lennard, einem Mitglied des afrikanischen Team mit dem wir zusammen arbeiten) wieder nach Europa entführen. Komisch - irgendwie ging es doch schnell. Und doch, ein Teil von mir kann es kaum erwarten. Ich nehme an, diese gemischten Gefühle sind normal.

See you soon!!!

PS: HAPPY BIRTHDAY MAMI!!!

Sonntag, Februar 13, 2005

Mityana und der 'real deal' im Busch

Donnerstags vor einer Woche (vor 10 Tagen, das Datumsbewusstsein hat mich schon lange verlassen...) machten wir uns auf den Weg nach Mityana, eine Stadt ungefaehr 2h entfernt. Die Strasse dorthin ist ziemlich, ziemlich holperig und schrecklich staubig. Bremsen ist jedes Mal ein Abenteuer. Und wir in einem Taxi-Bus, ungefaehr 20 Leute anstelle von 15, kein Air Conditioning, demzufolge sind die Fenster geoeffnet und der ganze Staub in Augen und Nasen. Halb so schlimm - das ist sowieso nicht, woran wir gerade denken. Uns wird naehmlich allen bewusst, dass der Schreck vom Autounfall doch tiefer sitzt als wir glaubten - und jede kleine Neigung oder jeder Huegel loest ein komisches Gefuehl tief unten im Magen aus. Emily geht's am schlimmsten - es war eine Tortur fuer sie, sie hatte zeitweise wirklich Panik.
Es ist nicht so sehr die Tatsache, dass wir in einen Autounfall verwickelt waren als mehr das Bewusstsein, wie die Sekunden davor ausgesehen hatten - und wie schnell es dann gehen kann. Wenn man das nie erlebt hat, kann man es sich gar nicht vorstellen und man denkt auch nicht daran. Ich dachte oft an unseren Segeltoern in Griechenland, wenn das Boot 45 Grad schief stand - und obwohl es erst ab diesem Winkel ernsthaft kritisch wird, das komische Gefuehl im Magen kam schon bei 25 Grad auf. Aber jetzt wurde ich schon unsicher bei 5 Grad Neigung. Doch es war gut - nicht, dass es sich gut anfuehlte, weil das tat es definitiv nicht. Aber Gott hat mich dadurch einiges gelehrt:
Erstens, was es bedeutet, ihn zum Herrn unseres Lebens zu machen. Es geht nicht nur darum, dass er entscheiden kann, wo ich was tun werde bis ich 80 Jahre alt bin, nein: Es geht darum, dass ich ihm das Recht gebe, mir mein Leben in jeder Sekunde wegzunehmen. Und wenn ich schon heute sterben wuerde, oder eine lebenslaengliche Behinderung davontragen wuerde - nur weil ich am Morgen ernsthaft gebetet habe, dass Gottes Wille geschehen wuerde - waere ich immer noch bereit, ihm dieses Recht zu geben?
Mit dieser Erfahrung habe ich zwei Moeglichkeiten: Entweder vergesse ich es einfach wieder und lebe mein Leben wie bis anhin - lebe mit der Gefahr durch Ignorieren, dass sie real ist. Oder ich erlaube Gott, diese Situation zum Guten zu kehren und mir zu zeigen, was komplette Abhaengigkeit von ihm bedeutet. Ich will von Herzen die zweite Moeglichkeit waehlen.
Aber dann dürfen wir uns auch ruhig durch Gespraeche anderweitig beschaeftigen.

Mityana und das Buschdorf waren wunderbar. Aber mein Computer stellt in 3 Minuten ab und wenn ich das nicht verlieren will, muss ich sofort aufhoeren. Also dann, bis spaeter!

Mittwoch, Februar 02, 2005

Extra-Prise Action

Falls jemand die bisherigen Berichte etwas fade und ereignislos gefunden hat - heute kann ich mit einer echten Story aufwarten:
Wir nahmen letzte Woche (Donnerstag und Freitag) an einer Jugendkonferenz in Hoima teil, etwa 4h von unserem Haus in Kampala entfernt. Wir fuehrten einige unserer Skits (kleine Theaterstuecke) auf, sangen einige Lieder und predigten zu verschiedenen Themen. Ich redete ueber Matthaeus 6 (wie wir beten sollen) und es war wirklich cool, weil mir Gott bei der Vorbereitung so viele Dinge gezeigt hat.
Anschliessend wollten wir das Wochenende auf einer Safari in Ugandas groesstem Nationalpark verbringen. Eigentlich war dieser Programmteil fuer die letzte Woche gedacht gewesen, aber weil es so viel naeher bei Hoima als bei Kampala ist, wollten wir uns dieses Vergnuegen schon vorher goennen. Wie auch immer, es kam nicht ganz wie erwartet...
Kaum hatten wir den Park betreten (oder besser gesagt befahren, da man nicht aus dem Auto aussteigen darf... schliesslich leben alle Arten von Tieren in dem Park: Affen, Elephanten, aber auch Tiger und Loewen, of course) - und ich muss hier einen kleinen aktuellen Strassenzustandbericht fuer die Strassen hier einfuegen: staubig, uneben und unglaublich holperig; anyways, wir fuhren ungefaehr 5 Minuten in den Park hinein, sahen einige Menschenaffen, als ploetzlich ein Felsblock in der Strasse liegt. Ich selbst habe den Felsbrocken nicht gesehen, aber das anschliessende Ausweichmanoever konnte auch ich nicht verpassen. Wir rollten von der einen Strassenseite auf die andere und wieder zurueck. Ich weiss nicht ganz genau, wie es passierte, aber schliesslich gerieten wir in die Regenrinne am Strassenrand, und das Auto ueberschlug sich eindreiviertel Mal. Benjie flog durch die Windschutzscheibe, der Rest von uns wurde irgendwo im Auto umhergeschleudert. Ich verlor das Bewusstsein, in meiner Erinnerung ist eine betraechtliche Luecke.
Ich erinnere mich an meinen letzten Gedanken vor dem Crash: "Wie in einem Film, genau wie in einem Film!" - So komisch das klingt, das war alles, woran ich dachte. Ich habe nicht einmal gebetet, ich war nicht erschrocken, ich hatte keine Angst - ich war einfach voellig verwirrt. Ich wuenschte, ich haette ein Stossgebet zum Himmel geschickt - einfach um zu wissen, dass ich mich in einer Krisensituation automatisch an Gott wenden wuerde. Aber ich habe das "krisige" an der Situation gar nicht wahrgenommen. Es war wirklich die voellig emotionslose Feststellung, dass es da aussen vom Fenster genauso bewegt wie in einem Film.
In der naechsten Erinnerung liege ich irgendwie im Auto, und obwohl man erwarten wuerde, dass sich dank den Gesetzen der Physik (Schwerkraft, ...) einwandfrei feststellen lassen wuerde, was oben und was unten ist - ich hatte keinen blassen Schimmer. Geschweige denn konnte ich erahnen, auf welcher Seite das Auto lag. Ich hoere Rick von irgendwo nahe bei mir fragen, ob ich lebe, und antworte wahrheitsgetreu :-) mit JA. Wieso auch nicht, ich fuehle nicht einmal irgendwelche Schmerzen, habe einfach keinen blassen Dunst, was gerade geschah. Einer nach dem anderen klettern wir aus dem Wagen, sitzen auf der Strasse, betrachten die Verletzungen und realisieren: Wir erlebten gerade einen ziemlich krassen Autounfall.
Das ist aber nicht das Erstaunliche. Erstaunlich ist viel mehr, wie wunderbar uns Gott beschuetzt hat: Alle zehn von uns sind am Leben, niemand war lebensbedrohlich verletzt und niemand behindert. Grace auf dem Ruecksitz hatte es am schlimmsten erwischt: Sie brach sich das Schluesselbein zweimal, so dass es jetzt aus der Haut heraussteht und auf dem Roentgenbild deutlich als z zu erkennen ist. Ausserdem war ihre rechte Schulter verschnitten und benoetigte 10 Stiche. Sie litt unter starken Schmerzen, ebenso Benjie, der zwei ziemliche Schnittwunden an seinen Beinen hat. Besonders schmerzvoll fuer die beiden war, dass wir gleich anschliessend eine fuenfstuendige Fahrt zurueck nach Kampala auf uns nehmen mussten. Bei jeder einzelnen Delle konnten wir Grace stoehnen und Benjie auf die Zaehne beissen hoeren.
Der Rest von uns hatte keine wirklich schlimmen Verletzungen - ich war vielleicht am drittschlimmsten dran mit meinem Schnitt in der Schulter, den die Krankenschwester mit Sekundenkleber aber wunderbar geflickt hat. Es schmerzt ueberhaupt nicht und ist auch nicht infisziert (sorry... meine Rechtschreibung geht bachab). Ich habe noch einige Rufen mehr auf meinem rechten Arm, aber wirklich nichts schlimmes. Ach ja, und zwei blaue Flecken ueber meiner rechten Augenbraue, ich bin nicht sicher, ob ich eine kleine Gehirnerschuetterung hatte, denn am Tag danach, Sonntag, war mir schwindlig, sobald ich die Horizontalen verliess. Emily hat einen grossen, blauen Fleck am Bein, Laura einige kleinere Schuerfungen und Mini-Wunden, die keine medizinische Behandlung brauchten. Elin benoetigte drei Pflaster fuer ihr Bein und war ok, Genevieve hatte eine dicke Lippe fuer zwei Tage und Rick war voellig unverletzt. Die zwei Afrikaner im Auto waren auch ohne Verletzungen. Ist es nicht unglaublich?
Wir haetten in der Schweiz mit dem Velo umfallen koennen und schlimmer verletzt sein koennen, statt dessen sitze ich hier in einem Internetkaffee, um ein wunderbares Zeugnis von Gottes Schutz reicher. Amina!!!!